Marion Glück hat mich mit ihrem Buch: “Priorität Nr. 1 Nach der Stillen Geburt. Trauerarbeit um dein Sternenkind” auf diesen Blickwinkel gebraucht. In diesem Blickwinkel setzte ich schon die Blickrichtung fest, nämlich, dass Trauer Arbeit ist. Jede Begegnung, jede Bindung, jede Beziehung ist Arbeit. Es arbeitet in unserem Hirn und schöner formuliert: im Herzen.
Wie viel Lust wir auf diese Arbeit haben, wie viel Zeit wir ihr geben können und wollen, das ist unterschiedlich, aber bei Sternenkindern ist die Arbeit noch herausfordernder, weil das Tabu um den Tod in unseren Breitengraden, insbesondere im Kindesalter, so stigmatisiert ist, dass wir nicht wissen: “Wie geht Trauer um Sternenkinder?”
Was ich damit meine sind Fragen wie: Warum sollte ich um einen “Zellhaufen” trauern? Wie soll ich um einen Menschen trauern, den ich nicht kennen gelernt habe? (Warum ich solche Aussagen immer noch besser finde, als den Abschied zu ignorieren, kannst du hier nachlesen.)
Alle Eltern von Sternenkindern eint: Sie haben ihre Kinder überlebt. Und egal in welchem Alter, nichts ist falscher als der Tod des eigenen Kindes.
Und weil wir über diese viel zu häufige Tatsache nicht sprechen, kennen wir sie bis zum Eintritt gar nicht, woher sollen wir also wissen: Wie mit den Folgen umgehen?
Vor diesem Hintergrund ist meine Antwort auf die Frage, ob die Trauer um Sternenkinder auch Arbeit ist: Ja, definitiv und es ist noch viel viel mehr Arbeit.

Inhalt
Warum ist die Trauer um Sternenkinder noch viel mehr Arbeit?
Ich musste erstmal realisieren, dass sein kann, was nicht sein darf. Unser Kind stirbt. Darüber wird in unseren Breitengraden nicht gesprochen. Es ist nicht präsent, wie häufig es vorkommt und wie normal es ist sein Kind zu überleben. Meine Kinder.
Gleichzeitig musste ich zu diesem Zeitpunkt erst einmal realisieren, dass es sich um ein Kind, um ein menschliches Lebewesen handelt. Die Gefühle sind da, aber die Worte und das Verständnis fehlen.
Woher auch? Es wird von den offiziellen, von den wichtigen Stellen, von denen, mit denen ich am meisten zu tun hatte (medizinische Einrichtungen) von Prozessen oder Gründen gesprochen: Abgang, Fehlgeburt, Abbruch und vieles mehr, aber nicht von meinem ‘Kind’ oder gar Sternenkind.
Warum reicht das Selbstbild nicht aus, warum ist das Fremdbild wichtig?
Dieser Frage will ich einen eigenen Blickwinkel widmen. Für diesen fasse ich mich kurz.
Als ich realisiert hatte, mein Kind ist gestorben, musste ich erstmal dafür kämpfen. Mit Fotos, Personenstandskunden, Bestattungen und vielem mehr, musste ich mein Kind greifbar machen, weil in Balance von Selbstbild und Fremdbild leben.
Wenn das Fremdbild, in diesem Fall die deutschsprachige Gesellschaft, aus einer Tatsache eine Meinung hat, fällt es mir schwer, mich selbst ernst zu nehmen oder mich zu verstehen.
Wenn ich zum Beispiel von der Trauer um mein Kind spreche und die Reaktion meines Gegenüber ist: Ich verstehe wie du meinst, das tut mir leid, ich selbst habe dazu eine andere Meinung, für mich ist es erst ab XY ein Kind und nur wenn XY.
Wie kann die Trauerarbeit bei Sternenkindern aussehen?
Wenn ein Weg gefunden ist, das eigene Kind und seinen Abschied trotz des Tabus anzunehmen, dann beginnt die bekannte Trauerarbeit.
Ich meine damit eine Trauerarbeit, wie ich sie vom Abschied meines Opas, meiner Oma und vielen anderen, vielleicht auch abstrakteren Abschieden, kenne.
Vor meinen Sternenkindern dachte ich, es sei natürlich und menschlich, nicht über den Tod oder gar tote Kinder zu sprechen. Seither weiß ich, nein, die Mehrheit der Menschen (Asien, Afrika, Lateinamerika) gehen anders damit um.
Es liegt also nicht in uns, wie wir mit toten Kindern leben, sondern an uns. Den Tod kann ich nicht beeinflussen, aber wie ich mit ihm lebe.
Wie kann ich mit dem Tod meiner Sternenkinder leben? Wie geht Trauer?
Meine Antwort auf diese Frage ist die Summe aus allen Blickwinkeln, dem #walkofimpact, der Sternenkindermappe und mein Leben neben dem Engagement für Sternenkindern, um dem Tabu seinen Sinn zu entziehen.
Sehr strukturiert, liebevoll und wirkungsstart hat sich Marion Glück dieser Antwort gewidmet. Sie hat ein Buch geschrieben: Priorität 1 nach der stillen Geburt, Trauerarbeit um dein Sternenkind
Das Buch ist meine Antwort auf den Blickwinkel: Ist auch die Trauer um Sternenkinder Arbeit? Warum ich von dem Buch überzeugt bin?

Buchrezension: Erinnerst du dich an glasklares Wasser?
Warst du schon an einem Strand, an dem das Meereswasser glasklar war? Du stehst knietief im Meer, du spürst die Muscheln nicht nur unter deinen Zehenspitzen, sondern siehst sie auch am Meeresboden. Genauso wie flinke, kleine, bunte Fische, so deutlich, dass du versuchst sie zu greifen. Natürlich fasst du dabei in den Sand, von dem du jedes einzelne Körnchen sehen kannst. So klar und deutlich schreibt Marion Glück über ihre Sternenkinder und die „Priorität Nr. 1 nach der stillen Geburt: Trauerarbeit um dein Sternenkind“.
Das Meer ist aber meist nicht glasklar. Und die Strömung lässt es oft nicht zu, gemütlich einen Sundowner zu genießen. Das Meer voll mächtiger Wellen, die die besten Schwimmenden und Surfenden zum Aufgeben zwingen, Schiffe als Frack auf den Grund reißen und so tief und schwarz, wie der Schock, das Ausgeliefertsein, wenn Eltern ihr Kind verlieren.
Das ist der Antrieb für Marions Buch. Darüber hat sie auch ein Buch geschrieben „Schwere Entscheidungen, leicht Treffen.“ Und wie in ihrem ersten Buch, so belässt es Marion auch dieses Mal nicht bei der Erfahrung. Sie nimmt mit und analysiert und arbeitet aus, wie auf jede Flut, Ebbe, Ruhe und Heilung folgen.
So viel mächtiger das Meer immer ist, so sehr gibt uns immer Energie, wenn wir es von der Küste aus betrachten. Und genauso schreibt Marion über Sternenkinder. Sie beschreibt alles, lässt nichts aus, aber stürzt die Lesenden an keiner Stelle in die Tiefe, sondern lässt sie den Sundowner vielleicht nicht am Karibikstrand, dafür aber an der wundervollen Atlantikküste genießen.
Oder an der Nordsee oder Ostsee? Der Vergleich mit dem Bild rührt nämlich nicht nur daher, dass er so wundervoll passt, sondern dass Marion Glück neben Autorin und Coach ist auch Marineoffizierin ist.
Und ihre Sternentochter heißt Loreley. So wie die berühmte Nixe vom Felsen am Rheinufer im Mittelrheintal, die der Legende nach im 19. Jahrhundert mit ihrer Schönheit und ihrem Gesang die Schiffsführenden ablenkte.
Ich empfehle dieses Buch von Herzen allen, die Abschiede kennen, die Trauer fühlen und aus dem Kreislauf des Lebens in Wellen Kraft schöpfen wollen.

Marion teilt auch auf viele andere Fragen ihren Blickwinkel und erzeugt Lachfalten, die Denkerpose und Erkenntnisse gleichermaßen. Ich freue mich auf unseren weiteren Austausch.
Was sich hinter der Idee für diese Skizze als Titelbild verbirgt?
„Wenn das Kind in der Schwangerschaft verabschiedet wurde, war es ja eigentlich gar kein richtiges Kind, also vielleicht für die Mutter, maximal für den Vater, weil er sich vielleicht schon darauf gefreut hat.“
So hätte ich das vor meinen Sternenkinder sagen können. Wenn ich darüber gesprochen hätte. Habe ich aber nicht. Es hat mich nicht betroffen, weder als Erfahrung noch als Diskussion oder Information.
„Wenn das Kind kurz oder wenige Jahre nach der Schwangerschaft verabschiedet wurde, ist es natürlich was ganz anders.“
So habe ich das sogar nach meinen Sternenkindern mal gedacht. Dank Erfahrung, Information und Austausch weiß ich, wie egal das Alter ist:
Wenn wir als Eltern unsere Kinder überleben,
dann haben wir keine Ahnung,
wie wir damit umgehen dürfen, können, sollen, wollen, müssen,
weil es falsch ist.
Und es bleibt auch falsch.
Was richtig ist und bleibt: Trauer ist Liebe.
Diese verdammte schlimmste scheiß Erfahrung, kann auch genau wie Scheiße behandelt werden.
Scheiße ist nicht nur Scheiße. Scheiße als Kompost ist Nährboden. Nährboden für Samen und Setzlinge. Für Vertrauen.
Liebe ist nicht nur Trauer, sondern auch Vertrauen.
Ob wir wollen oder nicht, es wächst Neues. Wir können nur bedingt kontrollieren wie und wo es wächst. Das Leben.
Und es wird wieder sterben, sonst könnte es nie gelebt haben. Der Kreislauf des Lebens im Leben. Wieder und wieder und wieder. So ist es auch mit der Trauer. Sie ist nie fertig. Jeden Tag wieder und wieder und wieder.
Bei diesen Gedanken kam ich auf das Bild. Früher habe ich auf dem Reiterhof Pferdeställe ausgemistet. Egal wie gründlich, wie lange, wie intensiv, wie viel – am nächsten Tag musste wieder gemistet werden. Der Misthaufen wurde größer und größer.
Er ist Dünger wie Nährboden. Passt also super zum Blickwinkel: Ist die Trauer um Sternenkinder auch Arbeit? Ja sowas von und noch viel mehr
Awww, danke, dass du mein Bauch gelesen und darüber geschrieben hast. Ein sehr schönes Bild hast du gefunden. Das Wasser steht für Emotion und eben diesen dürfen in Fluss kommen bei der Trauerarbeit.
Sehr sehr gerne. Das freut mich von dir ganz besonders zu lesen.