"... ich mag die Flugzeuge. Das Bild ist aus unserem Garten in dem auch unser Krümel beerdigt ist. Wenn ich fliege, habe ich immer das Gefühl, ihm ein klein bisschen näher zu sein."
Melissa Kopschina perspektive.fehlgeburt

Die Sternenmutter Melissa Kopschina von perspektive.fehlgeburt beantwortet mir 5 Fragen für die Sternenkindermappe. Ich erstelle sie für Sterneneltern und Mitfühlende, wie ich sie mir gewünscht hätte.
Mit Handlungsmöglichkeiten und Orientierungsfragen, die ich in 6 Jahren, 3 Ländern und mit 2 Sternenkindern gesammelt habe.
Für die Zeiträume: vor dem Abschied, beim Abschied, nach dem Abschied und das Leben mit Sternenkindern.
Meine Erfahrung ist nur eine, deshalb bitte ich Sterneneltern und Sterneninitativen, ihre Erfahrungen mit mir zu teilen.
In diesem Interview antwortet Melissa Kopschina von perspektive.fehlgeburt auf meine Fragen:
Welchen Spuren hinterlassen deine Sternenkinder in deinem Leben? Wofür bist du deinen Sternenkinder, der Erfahrung dankbar?
Ich bin für so viel dankbar und finde es jedoch so schwer, dass auszusprechen, weil kaum jemand versteht, weshalb man über einen, über diesen, Verlust dankbar sein kann. Mein Kind hat mich so viel gelehrt, mir in verschiedensten Bereichen die Augen geöffnet. Es hat meinen Freundeskreis aussortiert, ich sage immer gerne “die Spreu vom Weizen getrennt”. Ich habe meinen damaligen Job gekündigt und mein Leben umgekrempelt. Meine Ehe und vor allem meine Patchworkfamilie hat es verändert, alles wurde tiefgründiger, wir sind enger zusammengewachsen. Es hat mich auf meinen Herzensweg gebracht: ich habe mich zur Trauerbegleiterin ausbilden lassen, arbeite ehrenamtlich für und mit Familien, die selbiges erlebt haben. Ohne mein Sternenkind hätte es in meinem Heimatort keinen Baum der Erinnerung für verwaiste Eltern gegeben, es gäbe keine Trauergruppe. Und ich bin mir sicher, dass mein Weg noch lange nicht am Ende ist. All das macht mich sehr dankbar!
Vorher/Seither: Was hat dich vor deinem Sternenkind ausgemacht? worüber hast du dich definiert? was siehst und fühlst du seit deinem Sternenkind anders?
Ich war immer sehr negativ, habe in allem das Haar in der Suppe gesucht, aber habe mir auch grundsätzlich alles gefallen lassen und meine eigenen Bedürfnisse zurückgestellt und viel geschluckt. Mein Sternenkind hat mich gelehrt, dass ich für mich, meine Bedürfnisse, Wünsche, Belange einstehen darf. Dass ich eben ich bin und es sinnlos ist, mich für andere zu verbiegen. Es hat mich gelehrt, dass ich perfekt bin, so wie ich bin und ich nur mir anstatt den anderen gefallen muss.
Sinnesreise mit Sternenkindern. Lass dich inspirieren von hören, sehen, riechen, schmecken, fühlen, tasten; Was verbindest du mit: a) Trauer, b) Liebe, c) Friedhof, d) Sternenkinder, e) Tod und f) Leben.
Trauer: man sagt so schön “Trauer ist Liebe” und das trifft es für mich in jeglicher Hinsicht. Ich kann so vieles Betrauern, wenn ich es zulasse, nicht nur den Verlust meines Kindes. Und Trauer heißt für mich auch, dass ich dazu nicht weinen muss. Ich kann glücklich sein, lachen, aber trotzdem eine tiefe Trauer in mir haben. Nur weil mein Leben weitergeht, heißt es nicht, dass ich nicht trauere.
Liebe: ist sichtbar, genauso wie unsichtbar. Liebe kann so viele Gefühle hervorrufen, positive wie negative.
Friedhof: ich bin sehr gerne auf Friedhöfen, in aller Welt. Dort wird, nicht immer, aber häufig, Liebe sichtbar. Und Trauer. Aber nicht nur. Mein Regenbogenkind, 2 Jahre alt, stand kürzlich bei seinem Opa, den er leider nie kennenlernen durfte, am Grab mitsamt Werkzeugkoffer und zeigte Opa Bohrmaschine und Hammer. Das mag nicht überall gut ankommen. Aber wer hat das Recht, zu entscheiden, ob ein Kleinkind mit dem verstorbenen Opa spielen darf, oder nicht? Friedhöfe lassen mich mit der Natur verbinden, ich mag die Ruhe aber genauso auch gerne spielende Kinder dort, denn es ist trotzdem auch Leben. Aber es hat immer eine andere Ruhe als z.B. ein Stadtpark.
Sternenkinder: ich habe mich damals kaum getraut, mein Kind zu berühren, da war so eine Angst, noch mehr kaputt zu machen. Es war noch so winzig klein, es verstarb in der 9. Schwangerschaftswoche. Und doch war es schon so perfekt. Ich hätte mir damals mehr Aufklärung gewünscht. Ich bin froh, ein paar Bilder gemacht zu haben.
Tod: gehört dazu und ist unvermeidbar. Ein wenig traurig macht mich der Gedanke, dass wir ein Leben lang alle nur auf unser eigenes Sterben hinarbeiten. Und noch trauriger, dass manche Menschen, Kinder, so wenig Leben vor ihrem Tod hatten. Das fühlt sich unfair an.
Leben: genießen wir alle viel zu wenig, wir sind immer so gehetzt und eingespannt. Ich wünsche unser allen, dass wir unser Leben mehr wahrnehmen können, mehr kostbare Momente aufsaugen und mit allen Sinnen genießen können. Aber ich glaube, ich lerne das seit meinem Sternenkind und bin noch immer mittendrin im “lernen”
Was würdest du in das Poesiealbum deines Sternenkindes schreiben:
Farbe: du bist mein Licht und strahlst ganz hell, leuchtest mir den Weg
Form: du bist mein geliebtes Gummibärchen und mein kleiner Krümel
Stimmungen: erfüllt, dankbar, reflektierend
Wie heißen deine Sternenkinder? Gerne kannst du hier noch mehr über sie erzählen. Wie bei einem Steckbrief im Poesiealbum: Name, Alter, Größe, Abschied, … .
Unser Sternchen heißt Krümel, das war von Anfang an sein Name, und ich fühle, dass du ein weiterer Junge bist.
Unser Abschied war lang, von der Diagnose in der 11. Woche (verstorben in der 9.Woche) habe ich mich ganze 10 Wochen von dir verabschiedet, bin mit dir noch verreist, habe dich mit zur Arbeit genommen. Wir haben viele Rituale versucht. Du wolltest lange nicht gehen, oder ich dich nicht gehen lassen? Wer weiß… Am Ende war deine Geburt ein kurzer Spaziergang im Vergleich zu den anstrengenden Marathonläufen in den Wochen davor. Dein Grab war schon zwei Tage vorher vorbereitet, ebenso wie unsere Abschiedsbriefe. Als wir dich in unserem Garten beerdigt haben, spielten wir für dich, für uns, das Lied unserer Hochzeit – 500 Miles. Genauso weit und noch viel weiter wollten wir auch mit dir zusammen gehen. Wir lieben dich, Krümel! Danke, dass du da warst. Danke, dass du immer da bist!
Vielen Dank für dieses Interview liebe Melissa.
Besuche Melissa Kopschina von perspektive.fehlgeburt und erfahre mehr über ihr Engagement als Sternenmutter. Sie ist Trauerbegleiterin und bietet Workshops an.
Wenn du deine Angebote oder Erfahrungen mit Sternenkindern teilen möchtest, schreibe mir gerne an tanja@sternenkinder.org